Geht es dir auch manchmal so? Wenn du dich umschaust, entdeckst du überall Chemie: Angefangen bei Seife und Waschmittel über Gewand aus Kunstfasern bis zu Kunststoffverpackung und Konservierungsstoffen im Essen – je genauer man hinschaut, desto mehr Chemie entdeckt man.
Die Chemie ist die Wissenschaft, die sich mit Stoffen und ihren Umwandlungen beschäftigt. Mit diesem Wissen können zum Beispiel Rohstoffe zu Produkten des Alltags gemacht werden. Chemie an sich ist also nicht gut oder schlecht, gesund oder giftig. Ohne Chemie würde es viele Alltagsprodukte oder Medikamente nicht geben und damit viele Annehmlichkeiten unseres Alltags.
Bei der Herstellung von Konsumartikeln wird üblicherweise das Hauptaugenmerk auf die Funktionalität des Produktes gelegt, weniger auf gesundheitliche, ökologische und soziale Aspekte im Herstellungsprozess. In letzter Zeit ändert sich diese Denkweise. Immer mehr Menschen wollen Nachhaltigkeit, weg von Wegwerfartikeln, hin zu umweltschonenden Produkten und einem kleinem ökologischen Fußabdruck.
Und genau das sind auch die Ziele der Grünen Chemie. Die Grüne Chemie zielt darauf ab, Produkte möglichst umweltverträglich, energiesparend und sicher für Mensch und Natur zu entwickeln und herzustellen. Bereits im Jahr 1998 formulierten Paul T. Anastas und John C. Warner zwölf Prinzipien Grüner Chemie.
Wenn ein chemischer Prozess durchgeführt wird, entstehen aus den Ausgangsstoffen (Edukten) neben dem erwünschten Produkt häufig auch (zum Teil problematische) Nebenprodukte. Diese können jedoch reduziert werden, wenn sie recycelt (wiederverwendet) werden.
Nachfolgend wird der Unterschied zwischen einem typischen, chemischen Prozess und einem Prozess gezeigt, der dem Prinzip der Abfallvermeidung entspricht:
Eine gute Atomökonomie bei einem chemischen Prozess bedeutet, dass die Atome in der Reaktion effizient (sparsam) genutzt werden. Dazu müssen Prozesse so gestaltet werden, dass möglichst viele Atome der Ausgangsstoffe auch im Endprodukt vorkommen und wenige als Abfall oder Nebenprodukte entsorgt werden müssen.
Man kann sich das auch so vorstellen: Jeder Mensch hätte beim Kuchenbacken Bedenken, wenn nur der Eidotter, nicht aber das Eiklar Verwendung finden würde. Die Zutaten werden so ausgewählt, dass alle Bestandteile (also z.B. Eidotter und Eiklar) im Kuchen vorkommen und möglichst nichts weggeschmissen werden muss.
Unfälle lassen sich nie ganz verhindern. Gerade Unfälle in chemischen Betrieben stellen nicht nur eine Bedrohung vor Ort dar, sondern auch immer für die Umgebung (Menschen und Umwelt). Durch die Wahl von ungefährlichen oder weniger gefährlichen Ausgangsstoffen werden die Umwelt und vor allem die an der Produktion beteiligten Menschen geschützt. So können die Risiken deutlich reduziert werden.
Bei der Neuentwicklung von Chemikalien muss am Ende immer ein Produkt stehen, das funktional und sicher ist. Funktionalität und Sicherheit müssen Hand in Hand gehen. Was würde ein Produktionsweg mit sicheren Lösungsmitteln und harmlosen Ausgangsstoffen bringen, wenn am Ende ein Produkt herauskommt, das die Gesundheit oder die Umwelt schädigen kann?
Viele traditionelle Lösungsmittel (z.B. Benzen, Chloroform), die bei chemischen Prozessen eingesetzt werden, sind gesundheitsschädlich. Diese können teilweise durch Wasser oder andere Lösungsmittel ersetzt werden, von denen keine Gefahren für die Gesundheit ausgehen. Leider ist das nicht so einfach wie das klingt und es braucht kluge Köpfe, um solche Prozesse zu entwickeln.
Weitere Gefahren von traditionellen organischen Lösungsmitteln sind Explosions- und Brandgefahr (siehe Gefahrensymbole Abbildung unten). Diese Gefahren können bei Verwendung von Wasser oder bestimmten anderen Lösungsmitteln reduziert werden.
Zur Erhöhung der Energieeffizienz gibt es unterschiedliche Methoden. Meist wird dabei mit einem Katalysator (siehe Prinzip 9) gearbeitet, aber auch die Verwendung von Mikrowellenstrahlung (ja, genau die Strahlung, die auch in der Mikrowelle im Haushalt verwendet wird) führt zu einem niedrigeren Energieumsatz. Und dass ein niedrigerer Energieumsatz umweltschonender ist, muss ja nicht weiter ausgeführt werden. 😉
Der Einsatz erneuerbarer Rohstoffe ist sicherlich der Punkt, der auch schon im Alltag vieler Menschen sichtbar wurde (Stichwort: „Bio-Plastiksackerl“). Bei der Bemühung zur Reduktion von Plastikmüll kam es zu einem Verbot von „Plastiksackerln“ – und trotzdem gibt es welche bei der Kassa von Supermärkten zu kaufen?! Der Grund, weshalb sie verkauft werden dürfen, ist, dass diese aus Maisstärke hergestellt werden und nicht mehr aus Erdöl.
Bisher waren Erdöl, Erdgas und Kohle die Ausgangsstoffe für eine unglaubliche Vielzahl von Produkten. Aber genau dies ist ein grundlegendes Problem, da Erdöl, Erdgas und Kohle nicht unbeschränkt zur Verfügung stehen und die Verbrennung dieser fossilen Rohstoffe das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid freisetzt. Es wird zurzeit stark an Alternativen zu fossilen Rohstoffen gearbeitet und ein Ziel Grüner Chemie ist die Nutzung erneuerbarer Rohstoffe und erneuerbarer Energie.
Viele chemische Prozesse laufen über mehrere Zwischenstufen, bei denen auch immer unerwünschte Nebenprodukte entstehen. Diese unerwünschten Nebenprodukte muss man entsorgen, was oftmals ein Problem darstellt.
Durch die Vermeidung von Zwischenstufen wird die Entstehung von unerwünschten Nebenprodukten verhindert, wodurch das Problem der Entsorgung gar nicht erst entsteht. Ganz nebenbei erhöht man so auch die Atomökonomie (siehe Prinzip 2).
Was versteht man überhaupt unter Katalyse? Unter Katalyse versteht man den Einsatz von Katalysatoren, um den Ablauf chemischer Prozesse zu beeinflussen. Katalysatoren sind Stoffe, die an der Reaktion beteiligt sind, ohne dabei verbraucht zu werden. Sie ermöglichen einen veränderten Reaktionsablauf (Info für Nerds: durch Senkung der Aktivierungsenthalpie 🤓), wodurch die Reaktion schneller und effizienter abläuft. Entsteht innerhalb kürzerer Zeit mehr von dem gewünschten Produkt, oder braucht man weniger Energie dafür, ist dieser Prozess natürlich auch wirtschaftlich interessanter.
Dieses Prinzip ist eng verknüpft mit der Erhöhung der Energieeffizienz (siehe Prinzip 6). Ohne Katalysatoren müsste man oft mit hohem Druck und hoher Temperatur arbeiten, um eine wirtschaftlich interessante Menge des Produkts zu erzeugen. Mit Katalysatoren kann man bei niedrigerem Druck und niedrigerer Temperatur arbeiten. Teilweise erreicht man durch den Einsatz von Katalysatoren sogar eine höhere Reinheit des Produkts (weniger unerwünschte Nebenprodukte, siehe Prinzip 8).
Ein weiteres Ziel sind abbaubare Produkte. Ausschließlich harmlose Substanzen sollen in die Umwelt gelangen, was man nur dadurch erreicht, dass alle Produkte abbaubar sind. Dieses Prinzip wurde lange Zeit nicht beachtet, wodurch viele Deponien entstanden sind. Auf diesen Deponien werden Stoffe gelagert, die sich nur sehr langsam und in potentiell gefährliche Stoffe zersetzen. Diese Stoffe werden noch lange dort gelagert werden und stellen tickende Zeitbomben dar.
Um das Anhäufen von nicht-abbaubaren Produkten auf Deponien zu vermeiden, sollten zukünftige Produkte abbaubar sein und in harmlose Stoffe zerfallen. Deswegen ist es sinnvoll, die Abbaubarkeit am Ende des Produktzyklus gleich beim Design des Produkts mit einzuplanen.
Der große Vorteil von Echtzeitüberwachung liegt auf der Hand: Werden die Prozesse live überwacht, kann man im Falle des Falles schneller eingreifen und dadurch Umweltverschmutzung vermeiden, bevor sie große Ausmaße annimmt.
Durch die Entwicklung immer kleinerer Sensoren und besserer Computer stellt die Echtzeitüberwachung zur Vermeidung von Verunreinigungen, insbesondere zur Vermeidung von Umweltverschmutzung, keine unlösbare Hürde dar. Sie ist zwar technisch und personell aufwendig, doch hat sie einen großen Nutzen für Mensch und Umwelt und sollte daher Standard werden.
Oft können Gefahren und Unfälle alleine dadurch verhindert werden, dass Produktionsprozesse auf mögliche Gefahren untersucht und in Hinblick auf Sicherheit umgestaltet werden. Wurden mögliche Gefahren erkannt (z.B. Lagerung von brennbaren Substanzen in der Nähe von offenen Flammen), kann bereits im Vorfeld darauf reagiert werden (z.B. durch Umstrukturierung des Produktionsorts und Schulung des Personals). Dadurch wird die Gefahr von Unfällen erheblich reduziert.
Die Grüne Chemie fragt VOR der Entwicklung von Herstellungsprozessen, wie man diese möglichst umweltverträglich und nachhaltig durchführen könnte. Umweltbelastung soll bereits bei der Entwicklung vermieden werden und somit gar nicht erst entstehen. Produkte sollen sicher für Mensch und Umwelt sein. Grüne Chemie trägt dazu bei, die Produkte des Alltags nachhaltiger als bisher zu erzeugen und ihren ökologischen Fußabdruck zu verkleinern. Das bedeutet, dass die Ressourcen unseres Planeten geschont und Umweltverschmutzung vermieden werden.
Aufgrund der Relevanz dieses Themas hat das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie mit 24. Juni 2020 die Plattform Grüne Chemie gegründet. Seit 2021 ist auch eine Webseite zur Grünen Chemie online verfügbar.
An den ScienceSpots am Campus der Uni Wien und auf dieser Website erfährt du anhand konkreter Beispiele mehr über die Prinzipien der Grünen Chemie.
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