Unser Klima ist im Wandel. Die globale Erwärmung ist unter anderem eine Folge des anthropogenen – also vom Menschen verursachten – Treibhauseffekts. Treibhausgase, wie Kohlenstoffdioxidgas, können auf unterschiedliche Weise in die Umwelt gelangen. Die Verbrennung der fossilen Rohstoffe Erdöl, Erdgas und Kohle ist hierbei von besonderer Bedeutung, da sie für einen großen Anteil der Treibhausgase (rund 80%) in unserer Atmosphäre verantwortlich ist. Mit Blick auf die Kohlenstoffdioxidgas-Emissionen gibt es zahlreiche Strategien, um die Einhaltung von internationalen Klimazielen zu gewährleisten. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet auch die Grüne und nachhaltige Chemie – mehr Informationen dazu findest du hier.
Die Europäische Union strebt für das Jahr 2050 eine komplette Klimaneutralität an. Dazu braucht es aber vor allem Alternativen zu fossilen Energieressourcen. Mit welchen Energieträgern können wir eine solche Energiewende erreichen?
Besonders auf Wasserstoffgas liegen große Hoffnungen, um Schritte zur Dekarbonisierung zu setzen. Die Stadt Wien plant beispielsweise ab 2025 zehn Buslinien auf Wasserstoffgas als Treibstoff umzustellen.
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Das Elementsymbol von Wasserstoff ist H (Hydrogenium). Wasserstoff ist das häufigste aller Elemente im Universum. Auf unserem Planeten schaut das jedoch etwas anders aus. Da kommt Wasserstoff hauptsächlich in gebundener Form, beispielsweise in Wasser (H2O), aber auch in organischen Stoffgemischen wie Erdöl und Erdgas vor.
Bei Raumtemperatur und Atmosphärendruck ist Wasserstoff ein farb- und geruchloses Gas. Die Moleküle des Wasserstoffgases bestehen aus zwei Atomen Wasserstoff. Man spricht hierbei von molekularem Wasserstoff (H2). In der Natur kommt Wasserstoffgas jedoch nur in äußerst geringen Mengen vor. Willst du wissen, warum das so ist, und mehr über die physikalischen und chemischen Eigenschaften von Wasserstoff herausfinden, dann klicke hier:
Da Wasserstoffgas nur in geringen Mengen auf der Erde vorkommt, muss es in den meisten Fällen für seine Verwendung erst hergestellt werden. Es gibt unterschiedliche Methoden, um Wasserstoffgas zu gewinnen. Je nachdem, welche Rohstoffe für die Herstellung eingesetzt werden und welche Menge an Kohlenstoffdioxidgas-Emissionen anfällt, teilt man den Herstellungsverfahren eine andere Farbe zu.
Zusätzlich spielen die Aspekte Nachhaltigkeit und Energieeffizienz bei der Klassifizierung der Herstellungsverfahren eine wichtige Rolle. Man orientiert sich dabei an den Prinzipien der Grünen und nachhaltigen Chemie. Vor allem die Prinzipien „Erhöhung der Energieeffizienz“ und „Nutzung erneuerbarer Rohstoffe“ werden dabei genau in Augenschein genommen. Willst du mehr über die Grüne und nachhaltige Chemie und die genannten Prinzipien erfahren? Dann klicke hier:
Als „weißen“ Wasserstoff bezeichnet man Wasserstoffgas, welches in bestimmten Regionen der Erde natürlich vorkommt. Das Vorkommen und die Möglichkeiten zur Gewinnung sind aber sehr begrenzt. Zudem werden dabei auch Fracking-Technologien eingesetzt, welche negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben. Beim Fracking werden riesige Mengen an Wasser benötigt, dem giftige Chemikalien zugesetzt werden, wodurch die Umwelt und das Grundwasser verunreinigt werden. Außerdem wird dabei klimaschädliches Methangas freigesetzt.
Als „grauen“ Wasserstoff bezeichnet man Wasserstoffgas, das aus den Rohstoffen Erdgas oder Methangas mittels Dampfreformierung hergestellt wird. Für die Dampfreformierung sind hohe Temperaturen und die Anwesenheit von Wasserdampf (daher kommt der Name des Verfahrens) nötig. Der Haken dabei ist, dass neben Wasserstoffgas klimaschädliche Treibhausgase wie Kohlenstoffmonoxidgas und vor allem Kohlenstoffdioxidgas entstehen. Pro Kilogramm Wasserstoffgas werden 13,24 kg Kohlenstoffdioxidgas emittiert.
Bei „schwarzem“ Wasserstoff nutzt man Steinkohle als Rohstoff für die Herstellung von Wasserstoffgas. Die Steinkohle wird dabei unter extrem hohen Temperaturen einer Kohlevergasung unterzogen. Dabei fallen sogar 23,95 kg Kohlenstoffdioxidgas pro kg Wasserstoffgas an.
Beide Verfahren sind keineswegs nachhaltig oder förderlich für unser Klima. Die folgende Abbildung zeigt, welche Anteile „grauer“ und „schwarzer“ Wasserstoff an der derzeitigen Produktion von Wasserstoffgas haben. Rund 75% der gesamten Wasserstoffgasproduktion werden als „grauer Wasserstoff“ mithilfe der Dampfreformierung gewonnen. 23% werden durch Kohlevergasung als „schwarzer Wasserstoff“ hergestellt.
Kreisdiagramm zur Wasserstoffgas-Erzeugung, eigene Darstellung
Das Herstellungsverfahren von „türkisem“ Wasserstoff basiert auf der sogenannten Methanpyrolyse. Wie du schon anhand des Namens erahnen kannst, wird hier Methangas (CH4) als Rohstoff verwendet. Doch was hat es mit der Pyrolyse auf sich? Bei der Pyrolyse werden organische Moleküle (Moleküle, die Kohlenstoffatome enthalten) unter äußerst hohen Temperaturen in kleinere Bestandteile zerlegt. Das geschieht in Abwesenheit von Sauerstoffgas.
Im Falle von Methangas wird neben Wasserstoffgas auch fester Kohlenstoff gebildet. Dieser kann im besten Fall gelagert und gespeichert oder weiterverwendet werden. Jedoch entsteht während des Hochtemperaturprozesses auch Kohlenstoffdioxidgas, wenn im Zuge der Energieversorgung fossile Rohstoffe verwendet werden.
Stammt die zugeführte Energie aus erneuerbaren Quellen, so entstehen bei diesem Herstellungsverfahren für ein Kilogramm Wasserstoffgas 6,10 kg Kohlenstoffdioxidgas. Bei Verwendung von Energie aus fossilen Quellen werden enstsprechend mehr Kohlenstoffdioxidgas-Emissionen verursacht.
Wäre es nicht möglich, entstehendes Kohlenstoffdioxidgas einzufangen, bevor es in die Atmosphäre gelangt? Bei der Herstellung von „blauem“ Wasserstoff passiert genau das. Denn hier wird Wasserstoffgas zunächst ebenso mit der Dampfreformierung aus Erdgas oder Methangas gewonnen.
Dann geschieht ein “blaues Wunder”: Man bedient sich zusätzlich der sogenannten Carbon Capture and Storage oder abgekürzt CCS-Technologie. Das klingt vielleicht erst einmal kompliziert, aber im Grunde bedeutet es, dass dabei das Kohlenstoffdioxidgas unter der Erde in Lagerstätten gespeichert wird. Bestenfalls kann dieses gespeicherte Kohlenstoffdioxidgas auch in der Industrie weiterverwendet werden. Etwas 90% der Kohlenstoffdioxidgas-Emissionen können so abgeschieden werden, nämlich 5,61 kg Kohlenstoffdioxidgas pro kg Wasserstoffgas. Nichtsdestotrotz löst CCS-Technologie nicht alle Probleme: Das Kohlenstoffdioxidgas wird schließlich auf unbestimmte Zeit gelagert und nicht unbedingt sinnvoll verwertet. Hinzu kommt, dass es durch undichte Lagerstätten zu ungewollten Kohlenstoffdioxidgas-Emissionen kommen kann.
„Pinker“ Wasserstoff wird unter Verwendung von überschüssigem Strom aus Kernkraftwerken hergestellt. Das sieht auf den ersten Blick vielversprechend aus – jedoch gibt es nur wenige Kernkraftwerke, die diesen Strom liefern können. Und wie du sicherlich schon gehört hast (Stichwort: Tschernobyl, Fukushima etc. ), bergen Kernkraftwerke einige Gefahrenquellen. Außerdem ist die Frage einer sicheren und langfristigen Lagerung des anfallenden radioaktiven Abfalls weltweit noch immer völlig ungeklärt.
Ein wichtiger Vertreter fehlt aber noch in unserer Farbskala, der häufig in den Medien präsent ist: „Grüner“ Wasserstoff. Schauen wir uns diesen etwas genauer an:
Wie du bereits oben gelesen hast, fallen bei den Herstellungsverfahren von grauem, schwarzem, türkisem und blauem Wasserstoffgas umweltschädliche Kohlenstoffdioxidgas-Emissionen in großer Menge an. Das liegt vor allem an der Nutzung fossiler Rohstoffe, sowohl als Ausgangsstoff als auch als Energielieferant für die Herstellung von Wasserstoffgas.
Bei der Gewinnung von „grünem“ Wasserstoff setzt man dagegen auf erneuerbare Ressourcen. Das bedeutet, dass der Strom für die Herstellung des Wasserstoffgases aus erneuerbaren Energiequellen stammt, wie z.B. Wind- oder Solarenergie. Zudem nutzt man Wasser als Ausgangsstoff im Herstellungsverfahren. Wie werden diese Energiequellen nun eingesetzt, um auf grüne und nachhaltige Weise das Wasserstoffgas zu produzieren?
Die bekannteste Methode ist die sogenannte Elektrolyse von Wasser. Bei der Elektrolyse werden Wasser-Moleküle (H2O) in Wasserstoff- (H2) und Sauerstoff-Moleküle (O2) zerlegt:
Bei dieser Reaktion wird elektrische Energie in chemische Energie umgewandelt. Hier erfährst du mehr über die Wasserelektrolyse zur Gewinnung von „grünem“ Wasserstoff:
Nun ist unsere Farbskala von Wasserstoff komplett.
Wenn du dir die Informationen zu den unterschiedlichen Herstellungsverfahren durchgelesen hast, sollte die folgende Aktivität für dich leicht zu meistern sein!
Aktivität erstellt auf Basis von Bockelmann et al. (2023): Erzeugung von Wasserstoff durch Elektrolyse. Grüner Wasserstoff. In: Chemie in unserer Zeit, https://doi.org/10.1002/ciuz.202300024
Die Nutzung von Wasserstoff bietet uns vielversprechende Möglichkeiten unter anderem in folgenden Bereichen:
Bei der Umwandlung von elektrischer in chemische Energie spricht man vom „Power-to-X“-Konzept. „Power“ steht dabei für elektrische Energie und das „X“ für den Zweck oder die benötigte Energieform. In unserem Beispiel der Wasserelektrolyse haben wir unter Nutzung elektrischer Energie Wasserstoffgas erzeugt, daher nennt man diesen Prozess auch „Power-to-Gas“.
Das Wasserstoffgas kann nun als chemischer Langzeitspeicher dienen. Möchtest du mehr über die Speicherung und Lagerung von Wasserstoffgas erfahren, dann klicke hier:
Vielleicht fragst du dich „Ist es möglich, die chemische Energie wieder in elektrische Energie umzuwandeln?“ Ja! Das ist möglich, wenn Wasserstoffgas im Mobilitätsbereich eingesetzt wird. In sogenannten Brennstoffzellen nutzt man das Wasserstoffgas als Brennstoff und schafft somit eine nachhaltige Alternative zu benzin- oder dieselbetriebenen Motoren. Willst du mehr über die Brennstoffzelle erfahren, dann geht es hier entlang:
Was haben Düngemittel, Methanol und Stahl gemeinsam? Bei der großtechnischen Herstellung von all diesen Produkten ist Wasserstoffgas beteiligt. Wie das genau funktioniert, kannst du hier herausfinden:
Wie du siehst, ist unser Werkzeugkoffer für die Energiewende prall gefüllt – wir müssen diese Werkzeuge nur einzusetzen wissen.
Wenn du mehr über Wasserstoff wissen willst, findest du hier Tipps zum Weiterlesen:
Alexandra Teplá, MEd BSc
Doktorandin am Österreichischen Kompetenzzentrum für Didaktik der Chemie (AECC Chemie)
Universität Wien
Maga Martina Zodl
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Österreichischen Kompetenzzentrum für Didaktik der Chemie (AECC Chemie)
Universität Wien